06 Januar 2006

Pimmel und Pommel

Ich habe für mich etwas einzigartig Neues entdeckt, einen kürzeren Arbeitsweg. War ich vorher noch mit der gewagten Kombination aus S-Bahn und Bus zu meinem geliebten Arbeitsplatz gekommen, hat sich ein alternativer Weg als der Schnellere erwiesen. Berlin bietet nämlich etwas Tolles und Schönes - die U-Bahn. Ich habe bewusst darauf verzichtet es als den besseren Weg zu bezeichnen, denn es ist auch der Gefährlichere.

Mein Weg führt mich mit der Linie U7 von Neukölln nach Charlottenburg und darin liegt auch die Gefahr, denn ich habe das Vergnügen mit den zweifelhaften Gestalten der kleinen Berliner Bezirke zu reisen. So sieht man neben Alten und Gebrechlichen, auch junge und agile Gesellen. Ganz besonders auffällig waren dann aber zwei junge Personen aus einem interessanten Milieu. Es waren Jungs, so um die 14 würde ich schätzen, sie trugen ausgebeulte Hosen, kunstvoll um den Knöchel geschlungen um den Blick auf den teuren und unheimlich attraktiven Schuh preis zu geben. Ihr Jacken waren sportlich in einem gewagten Babyblau und glänzten leicht im fahlen Licht meiner geliebten U-Bahn. Doch das Interessantes und Auffälligste war ihre Art zu sprechen. Schon die ersten Worte jagten mir Angst und Verwirrung ein.

Ey du Opfer, alta Spast. Hab isch nisch gesagt, dass du dem Opfer sagen sollst, das er Geld zurückgibt. Ey Opfer, isch schwöre du musst sagen, weisst du?

Angst. Die pure Angst beherrschte mein Denken, hier saßen zwei junge Menschen mit Zukunft und doch waren sie Opfer, zumindest einer. Sie mussten sich hassen, abgrundtief, es war wohl eine Feindschaft sondergleichen. Ein Opfer, wehrlos der Willkür anderer ausgeliefert, so musste es sein. Zwei junge hoffnungsvolle Seelen in den Klauen des Bösen, tiefe Trauer ergriff von mir Besitz. Was hatten sie noch um zu Leben? Was hielt sie noch? Würde sie vielleicht jemand opfern wollen?

Alta, lass misch machen, du Opfer. Dem Spast holen Geld, weisst du? Isch schwöre er hat keine Ehre, das Opfer.

Sagte der Andere und lachte dabei, oh mein Gott sie zeigten Galgenhumor im Angesicht des Untergangs. Wahre Lebenskünstler, durchfuhr es mich, unglaublich. Plötzlich umarmten die beiden sich und opferten weiter in ihrer aggressiven Sprache und da wurde es mir bewusst. Die beiden jungen Türken, von manchem Pimmel und Pommel tituliert ob ihrer Kleidung und Gebaren, zeigten mir nur die Tiefen ihrer Sprache, die intellektuelle Raffinesse, Opfer bedeutete nichts anderes als Freund, Gefährte, eben ein Opfer. Ich lächelte glücklich, denn eines wurde mir in dem Moment bewusst - sie hatten sich lieb. Sehr sogar.

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