26 April 2006

Eine Bahnfahrt (Heimfahrt)

Donnerstag, der 23.04.05, Walldorf-Wiesloch. Es ist 15.34 mein Bus steht bereit, mein Ziel ist die Station SAP-EVZ, man kann sich nun langsam denken, was mich dorthin treibt. Der Bus als solches war mehr als - leer. Niemand wollte wohl die Fahrt mit der Dame am Steuer wagen, abgesehen von mir. Noch vor der Schranke, direkt vor der Busfahrerin - eine Dame Mitte vierzig mit einem überaus freundlich grimmigen Gesicht - suchte ich in meiner Tasche nach der Wegbeschreibung, um mich zu vergewissern, dass meine Station tatsächlich SAP-EVZ war, ja es war. Freundlich lächelnd fragte ich ob sie denn auch dies anfahren würde, die Antwort war: 'Ja und steigen sie endlich ein.' Aha, die Freundlichkeit der Menschen dort, na das kann ja was werden. Eingestiegen war ich zwar schon, stand ja im Bus, aber wer weiß was sie meinte. Abwartend stand ich da, darauf ein nettes Bellen von ihr: 'Hinter die Schranke.' Oh ja, wahrscheinlich war auch sie Deutschland, aber ich hatte einen Grund dort zu stehen und meinte: 'Ähm, wie viel wird die Fahrt denn kosten?' Sie kuckte mich an, ich kuckte sie an. Sie war verwirrt, ich irgendwie auch. Nach ein paar Sekunden des Starrens - ich dachte daran ihr mir meine Liebe zu gestehen - verwies sich mich hinter die Schranke und tippte emsig auf ihrem Gerät herum während sie im halsbrecherischen Tempo den Bus in Bewegung setzte. Nach drei Minuten (anscheinend kommt niemand auf die absurde Idee zu zahlen), sagte sie 1,30 €. Hmm, der Online-Fahrplan sprach zwar von 1,70 €, aber wer will schon um 40 Cent feilschen und dann auch noch mit diesem Mannsweib? Ich zahlte und sie liess mich aussteigen, an der Haltestelle.

Nachdem ich mich umgesehen hatte und zweimal im Kreis gelaufen war hatte ich es gefunden, das Building 3, Ort meines Vorstellungsgesprächs. Bei der attraktiven Dame am Empfang (die sich am Telefon nur mit Gabi meldete) füllte ich einen Zettel aus, gab an ein 'netzwerkfähiges Gerät' bei mir zu führen und keine bösen Absichten zu hegen. Dann holte man mich ab und führte mich ins Sterngebäude. Auf dem Weg dorthin erfuhr ich, dass es durchaus einen Tennisplatz, wie auch ein Fitnessstudio gäbe, nun man kümmert sich wohl um das leibliche Wohl der Mitarbeiter. Ich möchte nun nicht mit Details langweilen, auf Nachfrage antworte ich gern, doch nach zwei Stunden intensiven Vorstellungsgesprächs konnte ich wohl soweit überzeugen, dass man mich als Praktikant durchaus anstellen würde. Land der grummligen Busfahrerinnen, ich komme. Geschwind brachte mich zurück zu dem S-Bahnhof, so dass ich meine Heimreise antreten durfte. Die Rückfahrt mit der S-Bahn war an sich ereignislos, wäre da nicht die volltrunkene Dame mit ihrem nüchternen Freund gewesen. An sich schon erstaunlich, dass das weibliche Geschlecht hemmungslos trinkt, während der hagere Mann neben ihm darben muss. Sie unterhielt mit ihren Wortfetzen den ganzen Zug und er versuchte sie zu beruhigen - erfolglos. Dann endlich war Mannheim in Sicht und ich konnte den Zug verlassen, während die Dame über ihr offensichtlich unbefriedigendes Sexualleben philosophierte. Schade, jetzt wo es einmal richtig spannend wird muss ich Deutschlands Sexualität hinter mir lassen, nun man kann nicht alles haben. Ich suchte nach meinem Zug, genauer nach dem Gleis, dann fand ich ihn. Hinter dem Zug auf der Tafel stand gelb etwas von Entlastungszug. Das machte mir Angst, wie man weiß war am folgenden Tag Karfreitag, es war 19.20 und viele Menschen wollte nach Haus. Das nun auch schon ein Entlastungszug eingesetzt werden muss spricht von Massen zuckender Leiber die sich in einen Zug drängen wollen. Doch das Schlimmste war: Ich hatte keine Zigaretten. Gut, kaufte ich sie mir einfach. Auf dem Weg zu dem Gleis fiel mir noch etwas Schlimmeres ein, ich hatte keine Reservierung.

Angekommen auf dem Gleis war es leer und das 8 Minuten vor Abfahrt des Zuges, na sieht doch ganz gut aus. Eine Zigarette später bekam ich Angst, aus allen möglichen Löcher kamen sie gekrochen, Menschen mit Taschen und Koffern. Menschen mit Kindern, Flaschen, Musik und womöglich einer Reservierung. Der Einsatzzug fuhr ein, er war kürzer als normal und der Bahnsteig war überfüllt. Die Menschen drängten zu dem Eingang, ich stand zu weit hinten und es bildeten sich Trauben vor den Eingängen. Jeder wollte mit, ich ja auch. Als ich meine Traube erreicht hatte war selbst das Raucherabteil gefüllt mit Stehenden. Nun ja, immerhin hatte ich ja die volle Flexibilität und keinen Sparpreis, konnte so auch den Nächsten nehmen. Wenn es denn einen Nächsten gab. Eine junge Dame neben mir wedelte unter Tränen mit ihrem Sparpreis 50 Ticket in der Luft - Zugbindung. Was nun? Ein dicker Schaffner mit Schnurrbart nahm sie an die Hand und strich ihr über den Kopf: 'Keine Sorge meine Kleine, das kriegen wir schon, komm mal mit.' Oh.

Wann fuhr der nächste Zug? Richtig 5 Minuten später, der Reguläre nämlich. Der Bahnsteig war nur noch halbvoll konnte also noch etwas werden, mit dem Sitzplatz. Der Zug kam dann 8 Minuten später und ich hinein - Raucherabteil. Verdammt, Nichtraucher voll, vor und hinter mir tausende Menschen und der Rauchergroßraum wäre mein Tod. Was nun? Etwas ratlos stand ich auf dem Gang der abgeschlossenen Abteile (Raucher) vor und hinter mir drängende Menschen. Da sah ich die Rettung, in dem Abteil saßen nur drei bei sechs ausgewiesenen Reservierungen. Eine am Fenster war München - Berlin. Perfekt. Also betrat ich selbstsicher das Abteil und nahm Platz, die anderen drei - zwei Herren mit Bauch, mitte vierzig und eine junge Tante in 'PussyCat' Pulli - musterten mich etwas komisch. Nach einigen Sekunden des Schweigens meinte ich: 'Ja, das ist nicht mein Platz.' Sie grinsten. Einer meinte: 'Unsere auch nicht.' Na ein Glück. Dann aber betrat ein Pärchen unser Abteil, es war ein Herr Mitte Sechzig in geschmackvoll hängenden Kordhosen gekleidet nebst seiner jungen Begleiterin. Sie war schätzungsweise 34, blondiertes Haar und hatte neckische Sommersprossen, auf dem kopf ein niedliches frz. Hütchen, eine schlanke Figur und enge Hosen. Ja, das ist mir nur zufällig aufgefallen. Vater und Tochter dachte ich und versank wieder in der Lektüre des Spiegels. Beide setzen sich und sie berührte sein Knie. Ahh Vater und Tochter mochte sich, schön. Dann küsste sie ihn auf die Wange. Vater und Tochter küssen sich, schön. Und dann küssten sich Vater und Tochter mit der Zunge - sie sind Deutschland. Dann fragte sie mit osteuropäischen Akzent nach der Instyle. Verdammt, das sind sie, die berühmt berüchtigten Katalogfrauen. Endlich eine in Natura und auch mit Hut.

Kurz vor Kassel bekamen die beiden dicken Männer Angst (das junge Girlieding hatte uns schon verlassen), denn wir hatten ca. 15 Verspätung, so hatten wir zumindest verstanden. Also beschloss man unter für alten Männern üblichen Kalauern (z.B. 'Ich sach nur, der Zuch is abgefahrn.') weiter zu fahren. Spontan und völlig zufällig tauchte ein Schaffner auf, schön dick mit einem Oberlippenbart. In der linken Hand eine Signallampe, die ich noch aus meinen Ostkinderzeiten kannte. Der eine Dicke meinte zu dem dicken Schaffner: 'Entschuldigung ich muss nach Ferden.' - 'Watt? Wohin wollen se? Ein Berliner, ein echter berliner Schaffner, ich konnte mein Glück nicht fassen. 'Ferden, ich möchte nach Ferden.' - 'Ferda an da Ahle, oda watt?' - 'Richtig.' - 'Naaa, warum issa dann nicht ausjestiegen in Kassel?' - 'na der Zug hatte doch wohl 15 min Verspätung.' - 'Nee ditt is nicht richtich, hatta doch Jas jejeben das wa ditt noch rausholen, wa?' - 'Oh, das wusste ich nicht.' - 'Ja und nu?' - 'Hmmm.' - 'Na keene Sorge, is ja eingleisig die Strecke, kann nich überholen.' - 'Na dann ist ja gut.' - 'Jenau, sonst noch watt?' - 'Nein, nein. Danke.' - 'Keen Problem.' Der Schaffner ging weiter und rief ins nächste Abteil: 'Und watt ham wa hier für Sorgen?' Er war mir sympathisch. Die beiden Dicken stiegen also lachend und kalauernd am nächsten Bahnhof aus, es war dunkel kurz vor zehn und ich müde. Wir waren nur noch zu dritt im Abteil und ich nickte ein.

Irgendetwas stimmte nicht, ich wollte ruhig schlafen, konnte es auch fast, aber irgendetwas stimmte hier nicht. Ich öffnet leicht meinen Augen und lauschte, da war es schon wieder. Ich schüttelte mich und seufzte, Augen zu und schlafen dachte ich mir. Aber was war das? Da - schon wieder. Ein leise schmatzendes Geräusch, irgendwie widerlich. Erneut öffnet ich meine Augen und sah vorsichtig nach links (ich saß rechts am Gang), der Lustgreis und seine Gespielin saßen sich am Fenster gegenüber und ergaben sich ihren lüsternen Spielen. Verdammt und das auch noch mit Geräuschen. Ja, mir ekelte es und das sehr. Ich stand auf, genoss eine Zigarette nahm meine Sachen und suchte den Nichtraucher auf, er war fast leer, an einem Tisch noch zwei Plätze gegenüber einer alternativen Dame. Ich nickte freundlich, setzte mich und schlief ein. Kurz vor Berlin-Ostbahnhof (oder Stadtbahnhof, wie mans nun möchte) schreckte ich hoch, nahm meine Sachen und gähnte. Ich wollte ins Bett, vor mir ein dickeres Mädchen mit ihrem athletischen Bundeswehrfreund, fragte mich was will sie mit dem? Moment, irgendwas stimmte an meiner Frage nicht. Ach ja, was will er mit ihr? Mir kamen verschiedene Szenarien in den Sinn, aber nur eines klang logisch.

Wohlhabend wie ich bin nahm ich ein Taxi mit einem Mann drin, wohl der Fahrer. Angekommen in meinen vier Wänden sank ich sofort in meinen traumlosen Schlaf.

ps: Ab dem 01.07.2006 ist der kon also in Heidelberg. Es kennt nicht zufällig eine WG die mich gern aufnehmen würde? Ich denke an zwei Frauen (oder Männer oder gemischt), nur sauber müssen sie sein. Zumindest ein Mindestmaß davon.

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